Dr. Christoph Welsch entwickelt ein neues Verfahren gegen Resistenzen bei Hepatitis-C-Therapie und erhält dafür den Novartis-Preis für therapierelevante pharmakologische Forschung.
Seit Ende 2011 stehen Ärzten zwei Medikamente zur Verfügung, die die Hepatitis-C-Viren direkt und zielgerichtet angreifen. Doch schon fürchten Mediziner, dass die Viren resistent gegen die neuen Waffen werden. Dr. Christoph Welsch hat nun eine Methode entwickelt, die das Risiko von Resistenzen gegen Virus-spezifische Medikamente verringern kann. Das Verfahren könnte den Patienten zudem unnötige Behandlungen ersparen. Die Nürnberger Novartis-Stiftung für therapeutische Forschung und die Deutsche Gesellschaft für experimentelle und klinische Pharmakologie und Toxikologie zeichnen den Mediziner für seine Leistungen mit dem Novartis-Preis für therapierelevante Forschung aus.
Hepatitis C ist eine der schwersten Lebererkrankungen überhaupt. Ausgelöst durch die Hepatitis-C-Viren (HCV), wird das Leiden meist chronisch und endet oft mit einer Leberzirrhose und Leberkrebs. Zumindest, wenn es nicht behandelt wird. Bis vor kurzem konnten Ärzte der Erkrankung nur mit einer Therapie begegnen, die das Immunsystem gegen HCV stimuliert. Bei etwa der Hälfte der Patienten konnten so die Viren vernichtet werden – allerdings unter teilweise schweren Nebenwirkungen. Der Ansatz der beiden seit 2011 verfügbaren Substanzen geht einen anderen Weg: Sie setzen an einem bestimmten Enzym an, der sogenannten NS3-Protease, die die Viren unbedingt brauchen, um sich zu vermehren. Die Medikamente blockieren genau die Stelle des Enzyms, die ansonsten von einem Proteinkomplex mit Viren besetzt ist. So eliminieren die neuen Substanzen in Kombination mit der bisherigen Therapie die Erreger bei immerhin etwa 75 Prozent der bislang behandelten Patienten. Aber: immer dann, wenn Medikamente direkt an Strukturen der Erreger angreifen, „müssen wir davon ausgehen, dass es resistente Varianten gibt, die sich letztlich in der gesamten Population der Viren durchsetzen“, sagt Welsch. Das ist ein übliches Problem auch bei der Therapie der Immunschwäche Aids. Und je mehr Patienten behandelt werden, desto größer das Dilemma.
Welche resistenten Stämme sich letztlich etablieren, können die Experten üblicherweise erst erkennen, wenn tausende Patienten behandelt wurden. Bis jetzt. „Wir prognostizieren im Fall von HCV und den beiden neuen Medikamenten schon jetzt, welche Mutationen in den Genen für die NS3-Protease Resistenz verleihen und sich durchsetzen könnten“, betont der Preisträger. Er hat mit seinen Kollegen Datenbanken durchforstet, in denen Wissenschaftler seit Jahren die Gen-Sequenzen verschiedener HCV-Stämme sammeln, und zwar Varianten, die immer mindestens 20 Prozent einer HCV-Population gestellt haben. „Das sind häufige Varianten“, sagt Welsch, „die müssen ziemlich durchsetzungsfähig sein.“
Mittels bioinformatischer Methoden haben die Wissenschaftler die entsprechenden Varianten der Proteinstruktur der NS3-Protease modelliert und ermittelt, wie diese Varianten die Bindung der Medikamente oder der natürlichen Bindungspartner beeinflussen. „Darauf basierend haben wir unsere Prognose getroffen, welche Varianten Resistenz vermitteln und gleichzeitig fit genug sind, sich zu vermehren.“ Die Prognosen hat Welsch bei einem Forschungsaufenthalt in den USA mit Experimenten an speziellen Zellkultursystemen bestätigt, „so dass unsere Vorhersagen verlässlich sind.“ Die entwickelte Methodik ist sehr zuverlässig, so dass sie sich auch für künftige Variationen im HCV-Erbgut einsetzen lässt.
Und sie ist nutzbar für die Therapie der Patienten. Erst wenn man weiß, welche Variationen im Erbgut resistent gegenüber den beiden Medikamenten machen, kann man bei jedem einzelnen Patienten das HCV-Genom ermitteln und entscheiden, ob man die Arzneien einsetzt – oder lieber nicht, weil sie nicht wirken würden. Angesichts etwa 20 neuer zielgerichteter Wirkstoffe gegen HCV, die in den kommenden Jahren auf den Markt drängen, böten sich dann entsprechende Behandlungsalternativen an, die besser für den Patienten geeignet wären.
„Wenn wir in dieser Weise nur mit optimal effektiven Medikamenten therapieren“, erklärt der Preisträger, „vermeiden wir auch die Ausbreitung resistenter Stämme.“ Die gezielte Vorhersage eines Therapieerfolges ist eine der entscheidenden Kriterien, die wir an zukünftige Pharmaka und Therapieoptionen anlegen müssen, um unnötige Behandlungen mit geringem Nutzen bei entstehenden Risiken zu vermeiden, so Dr. med. Andreas Kreiß, Geschäftsführer der Novartis Stiftung für therapeutische Forschung. „Genau dies kann durch die hervorragende Arbeit von Dr. Christoph Welsch erreicht werden.“ Gleichzeitige trage Welsch dazu bei, die Therapie der Hepatitis C zukünftig zu verbessern.