Dr-Sidonie-Golombowski-Daffner

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Das Rätsel der Nebennieren-Tumore

Die Novartis-Stiftung für therapeutische Forschung zeichnet Dr. Cristina Ronchi vom Universitätsklinikum Würzburg mit einen Graduierten-Stipendium aus. Sie erforscht die Genetik von Tumoren der Nebenniere.

Seltene Krankheiten haben nur ein Gutes: dass sie kaum vorkommen. Die Kehrseite: Gerade deshalb sind sie meist kaum erforscht und die therapeutischen Möglichkeiten infolgedessen begrenzt, was für die wenigen Patienten entsprechend fatal ist. Auch bösartige Tumoren der Nebennieren zählen zu jenen Erkrankungen, um die sich allenfalls ein paar Dutzend Forschergruppen weltweit kümmern – zum Beispiel das Team um Dr. Cristina Ronchi vom Universitätsklinikum Würzburg. Sie will jetzt aufklären, warum sich einige grundsätzlich gutartige Tumoren der Nebenniere (Adenome) womöglich doch zu bösartigen Karzinomen entwickeln. Die Nürnberger Novartis-Stiftung wird die Ärztin dabei mit einem Graduierten-Stipendium unterstützen.

Nebennieren-Adenome zählen zu den häufigsten Tumoren überhaupt und bilden sich bei etwa zwei bist drei Prozent der Bevölkerung. 70 Prozent dieser  Geschwulste sind harmlos. Das bedeutet aber auch: Die Zellen von 30 Prozent aller Adenome schütten verstärkt Hormone wie das Stresshormone Cortisol aus – manchmal so intensiv, dass es zu schweren Symptomen kommt.

Übergabe des Graduiertenstipendiums 2015 an Dr. Cristina L. Ronchi (Foto: Angie Wolf)
Übergabe des Graduiertenstipendiums 2015 an Dr. Cristina L. Ronchi (Foto: Angie Wolf)

So erkranken in Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 200 Menschen am Cushing-Syndrom. Sie leiden unter Gemütsstörungen, Gewichtszunahme am Körperstamm, Akne und rötlichen Streifen an Bauch, Hüften oder Achseln. Wegen der hohen Cortisolproduktion kann es außerdem zu Bluthochdruck und Abwehrschwäche, Diabetes und Osteoporose kommen. Weitere Merkmale der Erkrankung: das "Vollmondgesicht" und der "Büffelnacken".

Gemeinsam mit Kollegen der Universität München hat Cristina Ronchi jüngst die Ursache von mindestens einem Drittel der Cushing-Nebennierenadenome aufgeklärt. "30 bis 70 Prozent dieser Tumoren haben Mutationen in einem der Gene für den Proteinkinase-A-Komplex", erklärt die Stiftungsstipendiatin. Dieses Enzym ist in Nebennierenzellen extrem wichtig. In vielen Experimenten haben die Wissenschaftler bewiesen, dass diese Mutationen die vermehrte Cortisolproduktion wirklich verursachen. In einer Folgestudie wollen die Würzburger und Münchner Spezialisten ihre bisherigen Ergebnisse bestätigen. Finales Ziel ist es: einen Wirkstoff zu finden, der die erhöhte Hormonherstellung bremst und die Symptome lindert. Das ist das eine.

Das andere: Es bleibt noch immer unklar, wie die meisten Nebennierentumoren entstehen. Manche der bösartigen Nebennierentumoren könnten sich, so die Theorie der Würzburger Forscher, aus einem Adenom heraus entwickeln. Dafür spricht, "dass bestimmte Mutationen in beiden Tumoren auftauchen", sagt Frau Ronchi.

Um Licht ins Dunkel zu bringen, haben die Forscher begonnen, eine "genetische Landkarte" der Nebennierenadenome zu erstellen. In einem ersten Schritt wurden etwa 100 Adenome ohne Mutationen im bereits untersuchten Gen für den Proteinkinase-A-Komplex beleuchtet. "Wir haben dabei über 700 Mutationen in 88 Tumoren entdeckt", betont die Ärztin. Im Endeffekt kristallisierten sich vier Gruppen von Tumoren heraus: Drei sind gekennzeichnet durch Mutationen in Genen, die für verschiedene Signalwege in den Nebennierenzellen wichtig sind. In der vierten Gruppe von 20 Tumoren fanden sich hingegen keine Mutationen, die für die Krebsentstehung wesentlich wären.

Die Erbsubstanz in diesen 20 Tumoren wollen sich die Wissenschaftler nun nochmals genauer anschauen – mit noch moderneren Analyseverfahren. Langfristig, so Frau Ronchi, "hoffen wir mit dieser Strategie auch neue therapeutische Ansatzpunkte für diesen bösartigen Nebennierenkrebs zu finden."